Sonntag, Juni 14, 2009

Filmszenen I …Waidmanns Dank, Alfried!..in: Krupp – eine Deutsche Familie. Teil 3 Heino Ferch – Gustav Krupp von Bohlen und Halbach. R.: C. Rola, 2008


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…Waidmanns Dank, Alfried!..in: Krupp – eine Deutsche Familie. Teil 3 Heino Ferch – Gustav Krupp von Bohlen und Halbach. Buch: Christian Schnalke. Regie: Carlo Rola, 2008-09

Die Szene


Sommerfrische Schloß Blühnbach.


Sommer, Bergwald, Sonne. Zwei Männer und ein Knabe in österreichischem Jägerloden, Kniebundhosen, Wanderstöcke, Jagdgewehre, ein Vorstehhund. Man ist auf Pirschjagd.


Die Leute nah.


Wir erkennen Gustav und seinen Sohn Alfried. Alfried dürfte etwa fünfzehn Jahre alt sein.


Schnitt. Eine Bergwiese, darüber der Bergwald, ganz oben steiler Fels, Dolomit, Zweieinhalbtausender, man ist am Hochkönig, im Salzburger Land, blitzblauer Himmel.


Auf der Bergwiese steht ein großer Hirsch, mindestens Sechzehnender.


Schnitt.


Wir bei den Jägern. Direkt vor uns Gustav. Er ist dabei, den Hirsch anzuvisieren. Den Wanderstock nutzt er als Anlegestock für ruhiges Zielen.


Er legt an, spannt den Hahn der doppelläufigen Flinte und visiert über Kimme und Korn an.


Sein Sohn steht neben ihm. Wir sehen die fast atemlose Anspannung des Knaben, das ruhig konzentrierte Visieren des Vaters kurz vor dem Schuß.


Gustav hält inne, wirft einen Blick zu seinem Sohn, Aufforderung, die Waffe zu übernehmen. Alfried setzt sich an die Stelle seines Vaters, in genau derselben Position, wie sie der Vater eingerichtet hatte, zielt, Schuß.


Schnitt.


Blick auf die Waldlichtung.


Der Hirsch stand ruhig. Jetzt bricht er wie vom Blitz getroffen zusammen. Die Wucht des Treffers schleudert ihn noch einmal hoch, dann liegt er unbeweglich.


Gustav tritt an seinen Sohn heran, legt ihm die Hand auf die Schulter. Immer noch leise, als wäre die Pirsch noch nicht vorbei:


Sehr gut Alfried.


Gustav übernimmt die Flinte wieder selbst.


Schnitt Totale. Die Jäger begeben sich zur Beute.


Schnitt. Nah. Wir sehen vor uns das Geweih des toten Tieres aufragen. Neuen Enden, also ein Achtzehnender.


Der zweite Jäger, es ist der Chauffeur der Familie, steckt dem toten Tier einen grünen Zweig ins Geäs, Gustav zieht den Hut – eine hergebrachte waidmännische Geste der Ehrerbietung, die den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.


Ein zweiter Zweig wird mit dem Schweiß der Trefferstelle benetzt – das Tier ist in die Schulter getroffen: ein Blattschuss.


Der Mann bietet dem Schützen – Alfried – den Zweig am Hut an.


Waidmanns Heil, Alfried!


sagt er.


Der Junge kennt noch nicht die korrekte Antwort. Er sagt


Danke!


Sein Vater souffliert ihm die richtige Grusserwiderung:


Waidmanns Dank!, Alfried.


Die Blicke von Sohn und Vater treffen sich. Wir sehen, dass Gustav stolz und sehr sehr wohlwollend seinem Sohn gegenüber ist. Der Knabe hat zum ersten Mal in seinem Leben als Jäger ein Tier erlegt.


Alfried nimmt nach dem Dank den schweißbenetzten Zweig vom Hut des Jägers. Er darf das Zeichen selbst am Hut tragen.


Der Vater nickt seinem Sohn noch einmal zu, dann setzt auch er seinen Hut wieder auf.


Jetzt ist Alfried kein unschuldiges Kind mehr, jetzt ist er erwachsen, fast ein Mann.


2008 - 2009 Heino Ferch (im Alter von 45) - Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Theo Trebs - Alfried von Bohlen und Halbach


Kommentar:


Die Szene ist dicht mit Symbolik angereichert, angefüllt. Auf der allgemeinen Verständnisebene handelt es sich um eine geglückte Hirschjagd-Szene. Auf der Subtextebene der Figuren Vater – Sohn Krupp handelt es sich um eine symbolische Andeutung von Verantwortungsübergabe und –übernahme des Vaters an den Sohn, zu beziehen auf den Familienkonzern.


Der Vater richtet genau den Schuß ein. - Der Vater hat die Firma in den gegenwärtigen Stand gebracht. Er holt den Sohn heran, damit er den eingerichteten Schuß übernimmt – Der Firmeninhaben holt den Sohn heran, damit er an seine Stelle tritt. Alfried übernimmt Gewehr und Schießstock, zielt – und trifft. Der Firmennachfolger tritt an die Stelle des Firmenvorgängers – und macht seine Aufgabe gut.


Der Junge setzt einen perfekten Schuß, er übernimmt anschließend das Ehrensymbol des grünen Zweiges – er ist initiiert, erwachsen.


Der Firmennachfolger Alfried wird initiiert, eingeweiht. Er lernt den Waidmannsgruß – er lernt den Firmencodex. Zuerst setzt sich der Junge den Hut mit dem Zweig wieder auf - dann erst der Vater. Den Hut tragen bedeutet im symbolischen Sinn, die Führung innehaben. Der Vater bestätigt die Führungsposition des Sohnes für einen Moment, dann übernimmt er selbst wieder, der Junge hat noch zu lernen.



Auf einer weiteren Verständnisebene ergänzt die Szene unser Wissen über die Vater – Sohn – Beziehung. Bisher haben wir nur erfahren, dass Gustav Krupp zeitgemäß streng und autoritär seinem Sohn gegenübertritt. Die Jagdszene entfernt von der Firma in Essen, im Freizeitbereich in Tirol zeigt sozuagen privatere Gefühle des Vaters für seinen Sohn. Stolz, Wohlwollen, wohlwollendes Lehren und schrittweises Einbeziehen in die Welt der Erwachsenen.


Auf einer dritten Mitteilungsebene erzählt die Szene in der symbolischen Übertragung auf die Firmenführung, der Alfried entgegensieht, etwas über den Code of Conduct eines Firmenleiters. Die Jagd wurde sportlich und waidmännisch korrekt durchgeführt, das Tier nicht stumpfsinnig abgeschlachtet. Ehrenhaft und korrekt soll auch Alfrieds Firmenführung werden, wie die des Vaters.

” Handlungskorrekturen” : Vergleich der Jagdszenen in Krupp – eine Deutsche Familie (Regie: Carlo Rola. Rolle Heino Ferch: Gustav Krupp 2008-09) und in Der Unhold (Regie: Volker Schlöndorff, Rolle Heino Ferch: Napolakommandant Raufeisen. 1995-96)

Kommentar:

Produzent Oliver Berben über den dramaturgischen Ansatz von Krupp - eine Deutsche Familie (.mp3)-> Tonquelle: Auszug aus WDR2 Radio zum Mitnehmen Interview mit Oliver Berben (03.03.2009) Moderation: Gisela Steinhauer

Der Blickwinkel "Aus der Familie in die Welt" beinhaltet ein Motto, einen Leitsatz, ein Credo, das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Die Dramaturgie des Films hat dafür ein Credo des Deutschen Psychoanalytikers Carl Gustav Jung ausgesucht. Dessen zentraler Leitsatz lautet: Werde, der Du bist!

Im Film wird dieser Satz als Lebensleitsatz in den vier vorgestellten Generationen Fritz-Bertha-Alfried-Arndt paraphrasiert:

Fritz zur jungen Bertha: Mein Vater hat mich als Schwächling verschrien. Wenn ich versucht hätte, die Firma auf seine Weise zu leiten, wäre ich gescheitert. Aber ich habe es auf meine Weise gemacht. (Übersetzt: ich wurde, der ich bin). Bertha zu ihrem erwachsenen Sohn Alfried (Szene, in der das Pferd im Wasserbecken trainiert wird). Du bist kein Lebemann, in dieser Rolle wirst Du versagen. Alfried, Du bist als Krupp perfekt. Dein Blut ist Krupp..(...) Sei, der Du bist! (Übersetzt sagt Bertha zu Alfried: Werde, der Du bist.) Alfried zu seinem Sohn Arndt: Bau Dir Deine eigene Welt, in der DU erfolgreich sein kannst. (Übersetzt: Werde, der Du bist.)

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Nachtrag zu Der Anwalt und sein Gast: Kommentar Christian - a christian. Erst jetzt - Jahre nach der Besprechung - fällt uns auf, dass wir eine wichtige Subtext-Story in Der Anwalt und sein Gast komplett übersehen hatten: Der Anwalt, bzw. sein Schicksal, dass ihm alles, was er liebt, genommen wird, ist eine Paraphrase auf das Buch HIOB des ALTEN TESTAMENTS.

Hiob:

Hiob ist ein verheirateter, wohlhabender Mann, gesegnet mit Kindern und Gesundheit. Da wird er mit Zustimmung von Gott vom Satan geprüft. Hiob wird alles genommen: Besitz, Ansehen, Gesundheit und gar seine Kinder. Hiob hadert mit Gott - wird er trotz dieser scheinbar sinnlosen Ungerechtigkeit an Gott festhalten oder wird er sich von ihm abwenden?

Die Story um Christian Weller ist identisch und läuft auf die identische Frage hinaus: wird er seinen Grundsätzen in Bezug auf seinen Klienten Karmann treu bleiben, oder wird er sich abwenden, wird er schwach? Weller wurde schwach. Die Staatsanwältin am Schluß zu ihm: Jetzt sind Sie kein Guter mehr.



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