Sonntag, Juni 21, 2009

Filmszenen I ...die Strafe ist: Der Tod. ... in: Neues Deutschland (1993): Heilige Kühe. Allegorische Politgroteske Teil 1. Regie: Uwe Janson 1992-93



Bildquelle und Bildrechte bei COLON, Dok Film Babelsberg, FOOL , Gemini Film, Neue Sentimental Film, Philip-Gröning-Filmproduktion für Westdeutscher Rundfunk (WDR)

Vergrößern in Firefox: Auf das Bild zeigen, linke Maustaste: Grafik anzeigen wählen

...die Strafe ist: Der Tod!...in: Neues Deutschland (1993): Heilige Kühe - Allegorische Politgroteske. Teil 1. Regie: Uwe Janson 1992-93

Neues Deutschland (1993) ist eine Kompilation von Kurzfilmen, Short Cuts, die mit unterschiedlichsten stilistischen Ansätzen Anmerkungen zur Lage der Nation Deutschland im Jahr 1993 machen.

Ein Vorgängerprojekt ist Deutschland im Herbst (1978), ebenfalls eine gesellschaftskritische Momentaufnahme. Die (Autoren-/)Regisseure damals waren u.a.:

Heinrich Böll, Rainer Werner Fassbinder , Alexander Kluge, Bernhard Sinkel, Edgar Reitz und Volker Schlöndorff.

Auch im Jahr 2009 entstand eine Kompilation von Short Cuts unter dem Namen:

Deutschland 09 - 13 kurze Filme zur Lage der Nation

Die homepage des Films: http://deutschland09-der-film.de/landingpage/

Auch dieses Mal melden sich stil- und themenführende Regisseure zu Wort, u. a.

Tom Tykwer (Segment "Feierlich reist") , Fatih Akin (Segment "Der Name Murat Kurnaz") Wolfgang Becker (Segment "Krankes Haus") Dominik Graf (Segment "Der Weg, den wir nicht zusammen gehen") Nicolette Krebitz (Segment "Die Unvollendete") Dani Levy (Segment "Joshua") Angela Schanelec (Segment "Erster Tag") Hans Steinbichler (Segment "Fraktur")

Dany Levi steuerte 1993 und 2009 je einen Short Cut bei.

Stilistisch am ähnlichsten, also Grotesken, sind in Deutschland 09 die Beiträge von Dani Levy und vor allem der Beitrag von Wolfgang Becker. Dessen Eröffnungsbild mit einer Paraphrase auf Rembrandts Bild aus dem 17. Jh. „Die Anatomie des Doktor Tulp“ bereits darauf hinweist, dass metaphorisch zu interpretieren ist. Auch die Operationssituation ähnelt am stärksten dem Segment Heilige Kühe aus Neues Deutschland. (1993)

Segment Heilige Kühe:

Unter der Regie von Uwe Janson vor der Kamera von Jürgen Jürges und Hagen Bogdanski spielen Ulrich Muehe, Dörte Lyssewski und Heino Ferch eine allegorisch zu verstehende Politgroteske namens Heilige Kühe. Die Handlungen der Figuren sind metaphorisch-allegorisch als gesellschaftskritische Aussagen zu interpretieren.

Die grotesk krass satirisch überzogenen szenarischen Demonstrationen faschistischer Verhaltensweisen (durch die Karikaturen eines Neonazi-Parteigründers, Naziarztes, Naziobersts, Nazi-Volksgerichtshof-Vorsitzenden) in der Täter-Opfer-Konfrontation (Ulrich Muehe als das Opfer, der Dokumentarfilmer Carl Clementi) ist durch schockierende Demonstration Fas ch ism us- und Rechts ra dikal ismuskritik.



Neues Deutschland Heilige Kühe Teil 1A

Die Szene

Fadenkreuz. Subjektive Kamera. Jemand blickt durch ein Okular. Wir sehen, was er sieht. Ein Bahngleis. Einen Verlassener Bahnhof.

Schnitt. Eine junge Frau mit raspelkurz geschnittenem braunem Haar, Rockerlederjacke und fetten schwarzen Lederhandschuhen liegt irgendwo erhöht auf Ausguck, sie hat ein Fernglas visierbereit in den Händen.

Schnitt.

Blick vom Standpunkt der Frau aus. Wir sehen Teile eines Waggondaches, die Position der jungen Frau ist also auf einem Zug.

Unten laufen zwei Männer auf einem Gleis. Der erste geht rückwärts, der zweite filmt ihn offensichtlich. Der Rückwärtsgeher stolpert über etwas, geht dennoch weiter. Er trägt einen Metallkoffer und ein Stativ.

Blick durch die Kamera des zweiten Mannes. Schwenk auf das Gleis. Der Anlaß des Stolperns: in den Gleisen liegt eine zerbrochene n a ck te Kinderpuppe. Sie streckt uns ihren einzigen Arm entgegen. Das Fadenkreuz im Bildausschnitt der subjektiven Kamera schwenkt auf die verlassenen Gebäude. Station Börnicke lesen wir.

Schnitt. Die beiden Männer nah. Der erste wirkt wie ein amerikanischer Hunter. Baseball-Cap, Pilotensonnenbrille, enges Hawaiihemd, darunter langärmeliges T-Shirt, paramilitärische Outdoor-Hosen, Stiefel, ebenfalls schwarze Handschuhe. Zum Filmer:

Hier treffen wir uns immer. Eine ideale Stellung.

Die beiden haben einen Güterwaggon erreicht. Die Tür steht offen. Der Hunter platziert den Metallkoffer im Waggon.

Was von Land gegen uns vorrückt, wird be-feuert.

Schnitt auf den Filmer. Der ist unauffällig zurückhaltend angezogen, dunkle Mütze, langer dunkler Mantel, er hält eine Videokamera ans Auge gepresst.

Wer soll da komm`?

Na der Feind!

Ironisch…natürlich.

Schnitt.

Im Waggon.

Der Filmer:

Ich arbeite gern mit Video. Is unkompliziert, man kann improvisieren.

Der Hunter:

Mach doch ma an, das Ding.

Er gibt dem Filmer seine Videokamera.

Wir blicken durch die Optik, die Kamera schwenkt über Müll im Waggon.

Der Hunter holt die Aufmerksamkeit zu sich. Er trägt auf einmal eine Baseballjacke über seinem Hemd. Hinter ihm eine riesige Tafel, wir entziffern

Von Osten ..Wehrmachtsangehör… den sich …

Hey hierhier!

Der Hunter deutet auf sich.

Der Sucher folgt der Aufforderung.

Der Filmer:

Jetzt biste drin…

Der Hunter nah. Er holt Luft.

Kamerad!

Brüllt er unvermittelt.

Sofort droppt ein paar Sprin gerst ie fe l mit weissen Schn ü rs enk el n von der Decke.

Der Hunter ist entzückt. Von den St ie feln.

(…)

Blick nach oben zur Besitzerin der S t ie fe l . Oben ist eine kreisrunde Öffnung im Waggondach.

….die Sti ef el i d yll e.

(…)

Die junge Frau, Motorrad le d e rj ack e, Sch ott en ro ck, lässt sich in den Waggon herunterschwingen.

Nach einiger Schaukelei springt sie herunter. Ihre Stiefel knallen auf dem Waggonboden.

Hunter sofort: Das is Ulli.

Wir sehen den Hunter und Ulli durch die Filmeroptik.

Der Hunter und Ulli gehen auf Schulterschluss.

Hunter:

Ein tr euer Ka me r ad.

Der Filmer zu beiden

Hallo.

Ulli drückt dem Mann die Kamera weg.

Erst die Kohle..

Hunter, er lehnt an der Waggonwand:

Fünf Blaue.

Der Filmer muss lachen. Ist doch ein wenig teuer.

Ulli, aggressiv:

Nawasisss?

Der Filmer gräbt in seiner Westentasche, findet Scheine:

Also..etwa zweihundert, mehr hab´ich nich´dabei..

Ulli beisst sich ihren schwarzen Mö rd er ha ndsch uh von den Fingern, grabscht das Geld.

Knurrt

Mhm.

Auf einmal hat sie eine offene Bierdose in der Hand.

Sie steckt das Geld weg. Militärisch:

Auf ..gute. – Zusammenarbeit.

Sie streckt dem Filmer die Dose hin.

Der nimmt sie mit leise ironischem Unterton an.

Prost.

Er nimmt einen wönzigen Schlock.

Hunter, lacht: Krieg verbindet eben.

Ulli:

Und jetzt – spielen wir – INTERVIEW.

Sie stemmt die Fäuste in die Taille.

Der Filmer filmt. Fragt:

Wieso spielen?

Ulli im Fadenkreuz, grinst breit:

Keine Angst!

Fletscht die Zähne.

..wirkt ganz authentisch.

Wir sehen durch die Optik, dass sie sich vor uns zu verbeugen scheint.

Der Filmer senkt die Kamera, behält Ulli im Ausschnitt.

Ulli greift sich in ihr raspelkurzes braunes Igelstachelhaar, zieht –

Ihre Haare vom Kopf, darunter quillt ein Wasserfall dicken blonden Langhaares aus der Perücke. Ulli richtet sich wieder auf –

Und ist ein entzückendes junges Mädchen. Charmant und unschuldig.

t.b.c. soon

1992 – 1993 – Heino Ferch (im Alter von 29) – ( Der Hunter) Gero von Wilfenstein, Ulrich Mühe – Carl Clementi (Der Filmer), die nachmalige Gertrud-Eysoldt-Ringträgerin Dörte Lyssewski – Ulli.


---

offtopic : Schliemänner in Tunneln - Lengede live - noch 1 Woche auf arte.tv:

http://plus7.arte.tv/de/detailPage/1697660,CmC=2705552,scheduleId=2665888.html

Der Gotthart-Tunnel.

http://plus7.arte.tv/de/detailPage/1697660,CmC=2707840,scheduleId=2665966.html

Hochalpenbahn Kleine Scheidegg und Tunnel durch Eiger und Jungfrau. Unglaublich. Sehenswert.