Dienstag, Dezember 09, 2008

Filmszenen I ...die Leuchte Deines Leibes ist Dein Auge...Teil 1B. in: Far away, so close! Regie: Wim Wenders. 1992-93

DVD Cover Luxusedition (2 DVDs) In weiter Ferne, so nah! Editionsjahr: 2005

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...die Leuchte Deines Leibes ist Dein Auge...Teil 1B. in: Far away, so close! (In weiter Ferne, so nah!) Regie: Wim Wenders. 1992-93

Musik: David Darling, Laurent Petitgand, Graeme Revell

Director of Photography: Jürgen Jürges

Drehbuch: Wim Wenders , Richard Reitinger, Ulrich Zieger .
Regie: Wim Wenders. 1992-93
Co-Produzent: Wim Wenders.

Exposition


Dunkler Bildschirm.Stille. Kein Ton.


Auf ihm taucht auf: ein großer Flügel, gefiedert wie ein Engelsflügel, er bewegt sich einmal zum Flügelschlag.


Die Bewegung gibt frei, wie durch ein Guckloch, den Blick auf eine Säule, einen Platz, wir nähern uns aus Vogelperspektive


-der Siegessäule


...und dem Großen Stern.


Wir hören menschliche Stimmen, hoher Sopran. Leise zuerst, dann mit großem Orchester,singen sie Choralmusik. Die Musik nimmt endzeitlich übergroße Form an, traurig, melancholisch, dabei ahnungsvoll gespannt.


Wir sind in Berlin, 1992.


Die Szene


Wir nähern uns von hinten im Flug der Siegessäule, hoch über dem Boden, auf Augenhöhe mit dem goldenen Engel. Der Engel hat die Flügel weit aufgespannt, Wind bauscht sein Kleid, in einer Hand hält er den Lorbeerkranz, in der andern die Standarte mit dem Kreuz .


Hoc signo vinceris. In diesem Zeichen wirst Du siegen. (Das Christusmonogramm beim Sieg an der Milvischen Brücke markiert den Beginn des Christentums als Staatsreligion 313 n.Chr. )


Als der Flügel den Blick auf die Schulter des Engels freigibt, erkennen wir, das dort oben tatsächlich ein Mann steht. Er scheint ruhig, furchtlos, in geradezu meditativer Betrachtung dessen, was sich tief unter ihm abspielt.


Jetzt sind wir ganz dicht am Kopf des Engels, können dem Mann in´s Gesicht sehen. Die endzeitliche Musik ebbt schnell in lyrisch leise Töne ab. Wir hören die Stimme des Mannes. Er spricht nicht, er denkt:


Ihr!


Ihr… die wir lieben,


Der Mann scheint die Menschen dort unten zu betrachten.


ihr…


….seht uns nicht.


Jetzt blickt er direkt hinunter. Wir folgen seinem Blick. Unten, fünfzig Meter tiefer am Boden des Sockels zwei Fußgänger, klein wie Ameisen.


...Ihr hört uns nicht.


Schnitt. Der Mann. Nah. Er hat die Augen geschlossen. Ein kleines Flugzeug fliegt hinter seinem Kopf vorbei, taucht auf der jenseitigen Kopfseite wieder auf, als wäre es in ein Ohr hinein, aus dem anderen heraus geflogen. Der Mann scheint nicht unglücklich.


Ihr wähnt uns in weiter Ferne. Doch sind wir so nah.


Wir sind Boten, die Nähe zu tragen zu denen in der Ferne,


Wir entfernen uns. Der Mann blickt wieder hinaus ins Land.


wir sind Boten…


Der Mann macht eine weit ausholende Bewegung, springt von seinem Platz ab. Er öffnet die Arme, wir verlieren ihn nach unten aus unserem Blickfeld.


Schnitt. Wir blicken durch die Augen des Mannes, fliegen langsam über den Platz des Großen Sterns, gewinnen wieder an Höhe, steigen in den winterblauen Sonnenhimmel.


…das Licht zu tragen zu denen im Dunkeln.


Wir sind Boten…


….das Wort zu tragen zu denen, die fragen


Wir beginnen, Stimmen zu hören. Sehen die Leute in ihren Autos vorbeifahren.


Wir sind nicht Licht.

Wir sind nicht Botschaft.

Wir sind die Boten.


Jetzt schweben wir dicht über dem Boden, sehen Autos die Säule umkreisen.


Wir….


Der Mann scheint gelandet, er tritt ins Bild.


…sind nichts.


Wir sehen ihm von hinten über die Schulter, er trägt einen kurzen Pferdeschwanz, wir blicken mit ihm zusammen die Straße hinab, weit weit...


…ihr seid uns…

…alles…


Der Mann sieht den Autofahrern zu, schließt die Augen, lauscht den Wagen nach, wir hören aus jedem Auto Gedanken-Bruchstücke.


…sowieso aus dem Straßenverkehr, zu Hause, weil da irgendwelche…

…denk ich kann man sich jederzeit scheiden lassen….

…im Westen siehtet aus wie im Osten, im Westen ..kälter als wie im Süden…


Eine Stimme ist ganz anders als die anderen. Einer, ein Mann, singt. Fantasieitalienisch. Fröhlich, Melodie von Funiculi! Funiculaaah!



Wir sehen nur unseren Mann, der da mit geschlossenen Augen steht. Das Fantasieiitalienisch mit viel Pizza lässt ihn amüsiert lächeln.


Die Geschichte beginnt.


1992-93 Otto Sander – Schutzengel Cassiel, Bruno Ganz – ehemaliger Schutzengel Damiel, Nastassja Kinski – Schutzengel Raphaela, Rüdiger Vogler – Der Detektiv Phillip Winter, Heinz Rühmann – Chauffeur Konrad, Willem Dafoe ... Emit Flesti (rückwärts gelesen: time itself) , Solveig Dommartin - die Akrobatin Marion, Mutter von Damiels Tochter, Horst Buchholz – der GanoveTony Baker


Engel aus dem Deckengemälde der Scuola di San Rocco, Venezia, Aquarell nach G.B. Tiepolo, copyright Andrea-Maria Glaser

Aquarell nach G.B. Tiepolo, Scuola dei Carmini, Venezia: Schutzengel. Copyright Andrea-Maria Glaser Zum Vergrößern in Firefox: mit der rechten Maustaste auf das Bild zeigen, aus dem Fly Out Menue Punkt: Grafik anzeigen auswählen.



Kommentar 1:

Man muss nicht sehr weit denken, um zu sehen, dass dieser Text auch das Selbstverständnis eines engagierten Schauspielers widerspiegeln kann.

Ein engagierter Schauspieler ist Bote.

Bote, das Wort zu tragen, das Licht zu tragen, die Nähe zu tragen.
Er ist nicht die Botschaft, er ist nicht das Licht.

Er selbst ist nichts, nur - oder: aber er ist: - Bote.

Genauer geht´s eigentlich gar nicht.


--- Solveig Dommartin

Mit 48 Jahren gestorben

Sie war Lebensgefährtin und Hauptdarstellerin von Wim Wenders und wurde dem Publikum durch die Rolle der Zirkus-Artistin, in die sich der Engel (Bruno Ganz) verliebt, bekannt. Auch in weiteren Wenders Filmen "In weiter Ferne, so nah!" und "Bis ans Ende der Welt" wirkte sie mit, bei letzterem schrieb sie auch am Drehbuch mit. Sie starb am 11. Januar an einem Herzinfarkt.

(Quelle: FR Online) 22.01.2007

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