Dienstag, Oktober 21, 2008

Filmszenen I ...na dieser Lehrer, denk´ich doch!...in: Und Jimmy ging zum Regenbogen. Teil 2B.

Heino Ferch - Manuel Aranda. Regie: Carlo Rola 2007-08

Teaser Film Und Jimmy ging zum Regenbogen. Heino Ferch - Manuel Aranda

Bildquelle und Bildrechte bei MOOVIE Produktionsgesellschaft und ZDF


...na dieser Lehrer, denk´ich doch!...in: Und Jimmy ging zum Regenbogen. Teil 2B. Heino Ferch - Manuel Aranda. Regie: Carlo Rola 2007-08


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Irene Waldeck und Manuel Aranda fahren zu Nora Hill. Sie ist heute die Besitzerin eines Edelbordells in Berlin.


Während des Dritten Reiches war Nora Hill Doppelagentin für England und Deutschland. Innerlich stand sie auf der Seite der Engländer, sie war mit Valerie Steinfeld, der Mörderin von Rodolpho Aranda befreundet und hatte in London Kontakt zu Valeries emigrierten jüdischen Ehemann Paul Steinfeld. Paul war bei der BBC und arbeitete per Radiosendungen gegen das Naziregime.


Manuel und Irene werden bei Nora vorgelassen.


Umgeben von Luxus, Dienern und Leibwächtern, ist sie ganz ohne Zweifel eine mächtige Frau, deren leisestem Wink, der nur den Hauch eines Wunsches andeutet, ihre Angestellten augenblicklich gehorchen.


Nora Hill erzählt den beiden über das Schicksal von Heinz, Valeries Sohn.


Wir treten hinzu, als die drei schon eine Weile im Gespräch sind.


Die Szene.


Irene und Manuel sitzen auf einer edlen weissen Ledercouch Nora Hill gegenüber. Die Couch ist mit einem eindrucksvollen Wolfsfell-Plaid überworfen, das fast das ganze Möbelstück bedeckt.


Der Raum ist abgedunkelt. Im Hintergrund sehen wir eine hohe Jugendstil-Doppelflügeltür mit Riffelgläsern, indirektes Licht dahinter läßt sie dezent golden leuchten. Champagner in einem silbernen Kühler und Kristallkelche stehen auf dem gläserenen Couchtisch für die Gäste bereit.


Nora, elegant und stilvoll gekleidet, thront in einem bequemen Fauteuil, Leibwächter hinter Manuel und Irene sorgen für Noras Sicherheit.


Nora Hill:


Valeries Mann, Paul Steinfeld oder… Paul Steinfield, war Neunzehnhundertachtunddreissig nach England emigriert und hat seitdem die Deutschen zum Widerstand aufgefordert.


Manuel hört zu. Er scheint Noras Worte auf sich wirken zu lassen.


Nora


..und um Heinz zu schützen, mussten wir ihn durch diesen verrückten Prozess… zum Vollarier machen.


Irene treffen die Worte so sehr, dass sie aufstehen und sich abwenden muss. Sie verschränkt die Arme, geht ein paar Schritte, dann wendet sie sich zurück zu Nora:


Irene


Wenn Heinz zur Waffen – SS kam, dann ist der Plan aufgegangen..


Nora


Sie können sich nicht vorstellen, welchen Kummer er seiner Mutter damit gemacht hat.


Irene ist unruhig, sie scheint erregt nachzudenken.


Nora:


Als später die Nachricht eintraf, dass Heinz gefallen war…


Manuel registriert Irenes Erregung, er blickt von ihr hinüber zu Nora.


Nora:


..da sagte sie zu mir. Meinen Jungen hat keine Granate getötet…


Irene ist wieder ruhiger geworden. Sie hört zu.


Nora:


..ein Mensch..hat ihn auf dem Gewissen.


Nora


..ich wird diese Sätze nie vergessen…


Irene nah, sie schüttelt den Kopf:


Wen meinte sie damit?


Nora, ärgerlich:


Na, diesen Lehrer, denk ich doch…


Diesen Friedjung.


Manuel und Irene tauschen Blicke. Das Foto des Lehrers hatte Manuel an seinen eigenen Vater erinnert.


Irene geht zu ihrem Platz zurück


Nora


Er hatte Heinz angezeigt, er ist später als Zeuge aufgetreten…


Nora nah, von schräg oben.


Ich habe ein Gespräch mit angehört…


….das Valerie mit ihm geführt hat. Es war während des Prozesses.


Noras Gesicht löst sich im Dunkel auf, eine junge Frau in Mantel und Hut wird sichtbar. Die Kleidung ist ohne Zweifel aus den dreissiger Jahren. Wir verstehen, dass wir Noras Erinnerung sehen. Die junge Frau sitzt auf einem Stuhl, wendet sich an eine zweite Person, die im Dunkel unsichtbar ist.


Die Frau, es ist Valerie Steinfeld:


…und alles nur, weil ich damals Paul Steinfeld geheiratet hab.


Die zweite Person wird sichtbar. Ein Mann mittleren Alters macht einige Schritte durch eine schmale Lichtgarbe hinter Valeries Stuhl.


Valerie


..ich bitte Dich…komm zur Besinnung…ich ertrage es nicht, wenn Heinz ins KZ kommt.


Eine Doppelbelichtung zeigt uns groß jetzt gleichzeitig Irenes Gesicht, sie scheint zuzuhören. Sie und wir hören, wie der Mann antwortet:


Was hast Du davon, Dass Du dieses Juden-Schwein – in diesem Moment blickt Irene erschrocken auf - mir vorgezogen hast?


Ich war richtig glücklich, - Durchblendung auf Manuels Gesicht, es wirkt als blicke er, -aufmerksam, als hätte er etwas gehört ,- mit einer plötzlichen Kopfwendung in die Vergangenheit - als Dein Bengel….


…In meine Klasse kam.


Wir sehen Valerie wieder in ihrem Mantel auf dem Stuhl sitzen, sie ist kurz vor den Tränen. Der Mann beugt sich über sie, bedrohlich, er schreit ihr beinahe ins Ohr, hämisch:


Das war höhere Gerechtigkeit…


Er brüllt sie an:


…und jetzt verschwinde!


Der Schrei löst Valeries Tränen aus. Sie zuckt zusammen. Wir bewegen uns rückwärts, die Stimme des Mannes beginnt zu verhallen. Dennoch hören wir ihn schreien:


…Oder ich melde Dich wegen Zeugenbeeinflussung!


Wir sind soweit zurückgetreten, dass wir noch einen Moment Nora von damals sehen können, die hinter einer Tür steht und zuhört. Überblendung auf Nora von 1996. Sie sagt:


Noch am selben Tag hat sie mich um dieses Gift gebeten.


Close Up Manuel. Er ergänzt, ruhig, ohne Wut:


…mit dem sie fünfzig Jahre später meinen Vater getötet hat.


Nora


Tja.


Manuel nah. Interessiert, sachlich:


Was ist aus diesem Friedjung geworden?


Nora:


Bei der Belagerung von Berlin schloß er sich einer SS-Truppe an, die sogenannte Kapitulanten oder Deserteure aufgriff,


Manuel hört ruhig , aufmerksam, aber innerlich distanziert zu.


… um sie dann an den Berliner Laternenpfählen aufzuknüpfen.


Irene reagiert emotionaler, sie trifft offensichtlich, was Nora erzählt.

Nora


..deswegen wurde er auch als Kriegsverbrecher angeklagt.


..aber kurz vor dem Prozess gab es eine Explosion in seinem privaten Labor – er war ja Chemiker –


Manuel scheint nachzudenken.


Nora


…Und die Zeitung schrieb, er habe Selbstmord begangen, um sich der …irdischen Gerechtigkeit… zu entziehen.


Irene zieht Noras Aufmerksamkeit zu sich:


Und mein Großvater?


Warum ist er aus dem Exil nicht zurückgekehrt


Nora milde:


Das konnte er nicht.


Er war im Sommer 44 an Leberkrebs gestorben.


2007-2008 Heino Ferch (im Alter von 44) – Manuel Aranda; Dennensch Zoudé – Irene Waldeck, Judy Winter – Nora Hill


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Kommentar 1:


Wir sehen hier fünf Erzählstränge gleichzeitig, eine Erzählmethode, die nur der Film leisten kann:


1. Der Text von Manuel, Irene und Nora erzählt die Fakten.
2. Die körperliche Darstellung emotionaler Reaktionen erzählt die emotionalen Vorgänge in den Personen, die von den Fakten auslöst werden und ihre Handlungen bestimmen werden.
3. Die Rückblende auf die kurze Szene in der Prozesspause: Der Text erzählt Fakten.
4. Die Rückblende auf die kurze Szene in der Prozesspause: Die emotionalen Reaktion der Figuren erzählen die Bedeutung der Fakten für diese Personen damals - und in der Konsequenz für die Personen heute (1996).
5. Und zuletzt: Die Durchblendungstechnik erzeugt durch Timing über die Körpersprache der Personen der Gegenwart und über ihre emotionalen Reaktionen einen Kommentar-Erzählstrang, der die Haltung der Gegenwarts-Personen zu den Vorkommnissen der Vergangenheit erzählt.


Eine Szene, fünf Erzählebenen...Toll.

Notiz: Die Szene auf den Treppen im Schloßgarten Potsdam Sanscoussi hat vom Bildmotiv her ihr Vorbild in einem Motiv der Vohrer Verfilmung. s. bes. die großen Akanther. Ein Rückgriff auf Company Business ist sehr weit hergeholt, aber von der Figurenkonstellation , Protagonist trifft Informantin, nicht ganz unwahrscheinlich.

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