Filmszenen I ...ein kurzer Augenblick...in: Und Jimmy ging zum Regenbogen. Teil 3. Heino Ferch - Manuel Aranda. Regie: Carlo Rola. 2007-08
...ein kurzer Augenblick...in: Und Jimmy ging zum Regenbogen. Teil 3. Heino Ferch - Manuel Aranda. Regie: Carlo Rola. 2007-08
Vor der Szene
Hofrat Groll, Manuel Aranda und Irene Waldeck haben im Computerraum des LKA per Decodiersoftware und dem Codeschlüssel-Referenztext „Und Jimmy ging zum Regenbogen“ endlich den Klartext des Dokumentes ausgelesen, das der Chemiker Rodolpho Aranda hinterlassen hat.
Die drei müssen erkennen, dass AP7 nichts anderes ist als eine B-Waffe : Nervengift. (s.a. B-Waffen im Kalten Krieg )
Für Manuel ist das ein persönlicher Schlag. Ein Schlag, der ihn zwingt, das Bild seines Vaters zu revidieren.
„Er war ein guter Mensch!
Viele Menschen sind ihm sehr, sehr dankbar.
hatte Manuel gesagt.
Jetzt sieht er, dass dieser „gute Mensch“ gegen Bezahlung ein maximal wirksames Mittel entworfen hat, Leben zu vernichten: Menschen, Tiere, Pflanzen. Manuel hat als Arzt mit dem hippokratischen Eid den Schwur auf das genaue Gegenteil abgegeben. Er hatte geschworen:
„Auch werde ich niemandem ein tödliches Gift geben, auch nicht wenn ich darum gebeten werde, und ich werde auch niemanden dabei beraten.“
und
„Wenn ich diesen Eid erfülle und nicht breche, so sei mir beschieden, in meinem Leben und in meiner Kunst voranzukommen, indem ich Ansehen bei allen Menschen für alle Zeit gewinne;
wenn ich ihn aber übertrete und breche, so geschehe mir das Gegenteil.“
(Zit. n.: Wikipedia: Hippokratischer Eid, Übersetzung aus dem Altgriechischen)
Jetzt ist der Allein-Erbe der Formel, die das Leben verachtet.
Die Szene
Manuel sitzt am Bildschirm, Irene steht hinter ihm. Der Raum wird Manuel zu eng, er will hinaus, sagt:
Ich brauch´ frische Luft.. und steht auf.
Irene legt ihm die Hand auf die Schulter. Sie ahnt, was diese Entdeckung für ihren Freund bedeutet.
Das Erbe der Formel hat nicht nur persönlich eine ungute Bedeutung für Manuel, sondern gefährdet objektiv seine Sicherheit.
Die Geheimdienste jeden Landes werden die Formel für sich und möglichst vor den anderen an sich zu nehmen versuchen und Manuel schnellstmöglich liquidieren.
Schnitt.
Minuten später auf dem halboffenen überdachten Aussenlaufgang des Gebäudes.
Irene und Manuel nah.
Beide trinken gerade aus den sattsam bekannten kleinen braunen Plastikbechern einen Schluck Kaffee. Wie jeder, der diesen Studentenkaffee trinken muss weiss, sind die Becher nach dem Einschenken brühheiß und eigentlich nur am oberen Rand zu halten. Manuel hält den Becher zwischen zwei Fingern an der Becherlippe und…der Becher entgleitet ihm und fällt zu Boden.
Schnitt. Totale. Wir sehen, die beiden stehen unter einer Betondecke, die geradezu bedrohlich herabdrückt und lastet, wie ein Alptraum. Auch unter ihren Füßen nur Beton.
Irene fährt zurück, blickt Manuel zuerst erschrocken und ärgerlich an - geht dann aber sofort in die Hocke, um den Becher-Überrest aufzuheben.
Manuel wirkt irritiert und sogar bestürzt, greift aber nicht weiter ein. Als Irene sich wieder aufrichtet, sehen wir, dass sie innerlich ganz bei ihm ist, weiss, dass Manuel jetzt im Moment nach der Erkenntnis über seinen Vater den Boden unter den Füßen verloren hat.
Manuel sieht nirgendwo hin. Pause. Dann bestätigt er:
„Ein kurzer Augenblick, und alles, was meine Welt ausgemacht hat, existiert nicht mehr. …
Schnitt auf Irene, sie sorgt sich.
Schnitt auf Manuel. Er blickt hinaus. Leise, rauh:
Da passiert etwas Schreckliches…aber sie rauchen einfach weiter…oder starren in die Luft.
...Ich war Deiner Großmutter vorhin direkt dankbar, dass sie meinen Vater umgebracht hat.
..sie wird immer unschuldiger… und er: immer schuldiger.
2007-2008 Heino Ferch (im Alter von 44) – Manuel Aranda, Dennensch Zoudé – Irene Waldeck, Wolf-Dietrich Sprenger - Hofrat Groll
Kommentar 1:
„Er war ein guter Mensch“ ist ein Satz, der heute wieder im Film aussprechbar ist, nachdem die Schriftstellerin Christa-Maria Sieland (Martina Gedeck) den Satz zu Hauptmann Gerd Wiesler (Ulrich Mühe) im Oscar-gekrönten Film „Das Leben der Anderen “ (2006) sagte. O-Zitat: „Sie sind ein guter Mensch!“
Kommentar 2:
Das Szenenbild aussen ist natürlich symbolisch aufgeladen (drückend, alptraumhaft), ebenso wie der Sturz und das Zerplatzen des Bechers: Der Sturz des Bechers ist wie ein böses Omen, für einen drohenden Sturz Manuels aus dem Leben, der sicher bevorsteht und dem Zerplatzen seines intakten Vaterbildes.
Kommentar 3:
Schönes kleines Detail: Direkt vor dem Satz: Da passiert etwas Schreckliches, aber sie rauchen einfach weiter… wird einen winzigen Augenblick auf Irene geschnitten. Im Hintergrund steht an der Balustrade ein Mann, der raucht.
Der Schnitt ist zu kurz, die Einstellung zu unscharf, um uns ins Bewusstsein zu gelangen, aber trotzdem empfinden wir gerade deshalb Manuels Satz sie rauchen einfach weiter nicht als eigenartig weit hergeholt: unser Unterbewusstsein hat den Raucher einen Augenblick vorher eben doch gerade wahrgenommen.
Kommentar 4:
Der Film wurde ja in der Tagespresse wieder mal verrissen als langweilig und schwerfällig. Unserem Gefühl nach hat die Kritik dieses Mal gar keinen negativen Eindruck bei unserem Protagonisten hinterlassen. Vielleicht, weil die Rolle klare und durchdachte Subtext-Botschaften enthält, die sich stringent, mit Sorgfalt erarbeitet und schön entwickeln. Aber sie sind eben eigentlich nur wahrzunehmen, wenn sich jemand die Mühe macht, den Film intensiv anzusehen, also etwas aufzuwenden, was in der Konsumgesellschaft ausser Mode geraten ist: Geduld. (hatte z.B. die Westdeutsche Allgemeine)
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Semi-Offtopic:
Theorie:
Hier findet ihr das Inhaltsverzeichnis zu unserem Theorie-Essay, theoretischen Aufsatz
Der Podcast "filmszenen-Kino für die Ohren": Szenarische Coverversion oder innovative Erzählform?
Das Inhaltsverzeichnis, eine .pdf-Datei, wird sukzessive - wie alles hier - immer mehr zu einem kompletten Essay ausformuliert.
Dazu wird die Datei einfach immer wieder gegen eine Datei gleichen Namens mit aktuellem Status ausgetauscht.
Wenn der Essay fertig ist, dann gibt´s hier nochmal eine Nachricht.
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