Filmszenen I ...Du hast Verantwortung für das, was Du Dir vertraut gemacht hast...in: Das Wunder von Berlin. Teil 5A.
Heino Ferch - Jürgen Kaiser. Regie: Roland Suso Richter 2007-08
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...Du hast Verantwortung für das, was Du Dir vertraut gemacht hast...in: Das Wunder von Berlin. Teil 5A. Heino Ferch - Jürgen Kaiser. Regie: Roland Suso Richter 2007-08
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Das junge Mädchen Anja, Krankenschwester in Ausbildung und Freundin von Marco, dem Sohn der Kaisers, hat den Großvater ohnmächtig im Garten gefunden. Herzinfarkt. Sie leistet Erste Hilfe, holt den Krankenwagen.
Die Szene
Wir kommen hinzu, als die Tragbahre mit dem Großvater gerade in den Krankenwagen geschoben wird. Der Rettungswagen parkt vor dem Haus der Kaisers am Straßenrand.
Ein dunkelblauer Lada nähert sich von rechts, hält direkt hinter dem Krankenwagen.
Kaiser entsteigt dem Lada. Staubgrauer Kurzmantel über dunklem Anzug.
Schnitt.
Wir sind im Rettungswagen bei Großvater. Wir blicken hinaus.
Draußen sehen wir Jürgens Ehefrau Hanna und Anja. Anja weint. Hanna hält Anjas Kopf, küsst und streichelt das verstörte Mädchen, damit es sich beruhigen kann.
Plötzlich schießt ein Gesicht dicht an die Glasscheibe des Krankenwagens. Das Gesicht von Jürgen Kaiser. Er blickt zu uns herein.
Zögert. Schaut. Irgendwie verstört.
Der Wagen gibt Gas, wir fahren los. Sehen durch die große flache Heckscheibe des Krankenwagens Hanna, Anja und Jürgen in der Straße stehen. Sie werden kleiner, bleiben zurück.
Schnitt.
Wir wieder auf der Straße direkt vor Hanna und Anja. Der Rettungswagen verschwindet in der Bildtiefe.
Hanna drückt das Mädchen an sich.
Kaiser steht etwas weiter entfernt. Blickt dem Krankenwagen nach. Dann dreht er sich langsam uns zu.
Er scheint ratlos. Irgendwie starr. Nein, nicht besorgt. Besorgt wirkt er nicht. Nur starr.
Anja löst sich nun langsam ein wenig von Hanna, will irgend etwas sagen, schüttelt den Kopf. Das Mädchen ist so außer sich, dass es keine zusammenhängenden Sätze bilden kann.
Hanna hält das Mädchen an der Hand. Wir sehen Hannas Besorgnis, den Versuch, zu verstehen, was sie artikulieren will.
Jürgen steht jetzt vor den beiden.
Man kann nicht direkt behaupten, dass Jürgen Kaiser traurig aussieht. Nein, traurig ist er nicht. Ein wenig ratlos vielleicht. Er soll wohl jetzt etwas und weiß nicht recht was und wie.
Wir sehen, dass er schnell auf etwas hinunterblickt. Das Etwas ist wohl in seiner Hand.
Anja und Hanna fahren herum. Sie haben schon gesehen, was dieses Etwas ist.
Schnitt.
Wir hinter dem Mädchen. Das Mädchen und der Mann stehen sich gegenüber, dazwischen die Frau, Hanna.
Hanna ist sehr groß, viel größer als Anja und auch größer als Kaiser.
Sie steht nah bei Anja und sieht mit ihr zusammen nach dem Gegenstand, den Kaiser in Händen hält.
Jetzt streckt Kaiser seinen Arm aus. Er hält dem Mädchen etwas hin.
Geld.
Jürgen Kaiser hält dem Mädchen, das seinen Vater gerade geistesgegenwärtig vor einem einsamen Tod in einem menschenleeren Garten bewahrt hat, einige Geldscheine hin.
Anja löst sich ganz von Hanna und sieht Kaiser entsetzt ins Gesicht.
Kaiser nah.
Sein Ausdruck verändert sich nicht. Er wehrt nicht innerlich ab, aber er sagt auch nichts.
Er sagt nichts, weil er nicht versteht. Noch nicht.
Anja schüttelt den Kopf.
Ogott.. hören wir.
Sie geht ganz schnell zur Seite, als müsse sie sich übergeben.
Jetzt steht Kaiser frei.
Wir sehen ihn mit seiner Geldbörse, mit seinen Geldscheinen in seiner ausgestreckten Hand.
Wir sehen seine Frau neben ihm. Zuerst sieht sie zu Boden, dann ihm ins Gesicht.
Sie sagt nichts.
Dazu gibt es nichts zu sagen. Ihr Blick: Verachtung.
Auch sie verlässt die Stelle.
Wir hören sie rufen.
Anja…?
Da steht er. Mit seinem Geld.
Allein.
Der Herr.
Jetzt versteht er.
Er wirkt beschämt.
Er tut uns leid.
Er kann uns Leid tun.
Bare Münze ist eben doch nicht immer die passende Valuta…
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2007-2008 Heino Ferch (im Alter von 44) – Jürgen Kaiser, Karoline Herfurth - Anja, Veronika Ferres - Hanna, Michael Gwisdek - Großvater Walter
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Kommentar 1:
So kurz diese Szene ist, sie ist großartig. Sie zeigt, wie Film erzählt.
Film erzählt durch Figuren. Figuren handeln und offenbaren uns dadurch Geschichten – ganz ohne Worte.
Diese Szene erzählt über den Charakter von Jürgen Kaiser mehr als ein hundertseitiges Exposé. Über seine Verhärtungen, seine Unfähigkeiten, seine Sicht der Dinge. Eine einzige Geste offenbart ein ganzes Weltbild.
Es heißt: mit Geld ist jede Schuld zu begleichen. (Im übrigen sehr kapitalistisch im real existierenden Sozialismus…) Und gleichzeitig erzählt uns die Szene, wie unwahr diese subjektive Realiät ist, wenn wir sie mit der Elle der Empathiefähigkeit messen… Großartig inszeniert. Regie: Roland Suso Richter Drehbuch: Thomas Kirchner .
Kommentar 2:
Magere Münze zur Bezahlung eines viel höheren Wertes: s. a. Der geheimnisvolle Schatz von Troja: Schliemann hält dem Landbesitzer 40 Francs hin, - mehr hab´ ich nicht , nehmen Sie es, es gehört Ihnen – eine Lächerlichkeit.
Labels: Wunder Berlin Heino Ferch Jürgen Kaiser Karoline Herfurth Veronika Ferres ignazwrobel
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