Filmszenen I "...Zu betteln, dass Dich Dein Vater wahrnimmt.." in: Auf ewig und einen Tag. Der Vater Teil 4.
Heino Ferch - Jan Ottmann. 2005-2006
Zufällig hört Gregor von einem Diktaphon-Tonband seiner Freundin Elsa Veltlin 1997 noch einmal seines Vaters Stimme in einem Interview, das Elsa mit dem alten Luckner geführt hatte.
Elsa Veltlin (Claudia Michelsen) und Gregor Luckner (Fritz Karl)
Elsa: Ihr Sohn macht Millionen.
Luckner: Ich weiss - es gibt diese Menschen.
Elsa: Sind sie nicht stolz auf ihren Sohn?
Luckner: Das fragen Sie den Falschen.
Elsa: Ich frage seinen Vater.
Der alten Luckner: Ich bin stolz, das Werk meines Vaters fortzuführen.
Gregor ist tief getroffen. Die alte Wunde bricht wieder auf. Der Vater negiert fortgesetzt Wert und Erfolg seines Sohnes.
Späte Rache.
Jetzt allerdings hat Gregor die finanzielle Macht, den Vater zu ruinieren. Er lässt über verschiedene Kanäle verteilt die Mehrheit der Luckner-Aktien aufkaufen.
Somit entmachtet er seinen Vater in dessen Firma: Gregor nimmt dem Vater das weg, worauf der alte Luckner so stolz war: das Erbe seiner Väter, die Firma Luckner Spielautomaten.
Er nimmt ihm auch das weg, womit der alte Luckner die Ablehnung seines Sohnes begründet: dass Gregor nicht linear der Luckner-Tradition durch Arbeit für die Firma folgt.
Philipp, der tote Bruder, ja, der hätte das getan. Dem Vater die Firma wegzunehmen ist auch ein Schlag Gregors gegen die permanente Apotheose des toten Philipp durch den alten Luckner.
Gregors Rache am Vater ist Insiderhandel, ungesetzlich, strafbar.
Ausgerechnet Jan, der beste Freund, muss den Vorgang – im Auftrag seines eigenen Bankhauses – recherchieren und entdeckt Gregors ungesetzliches Handeln.
Jan Ottmann und Gregor Luckner im Eckrestaurant
Gregors Rachsucht dem Vater gegenüber ist Stagnation.
Die emotionale Verstrickung Gregors mit dem Vater lähmt ihn. Der Sohn kann nicht loslassen und bleibt unfrei, so unfrei, dass er seine in zehn Jahren im Finanzsektor erworbene Macht ausnutzen und illegal Rache nehmen muss.
Seine Hoffnung, durch diese Rache endlich Erleichterung zu erfahren, wird schnell enttäuscht werden. Gregor ist und bleibt gefangen in seiner seelischen Verkeilung, sein Entwicklungsprozess als Mensch stagniert.
Aber: Gefühl ist eben Gefühl. Aus der mächtigen Quelle des Unbewussten genährt sind Gefühle die wesentlich stärkere Kraft als der Verstand. Gefühl bricht sich Bahn wie Lava, da werden die wackligen Palisaden der kalkulierenden Vernunft weggefegt wie Streichhölzchen.
Die Hoffnung auf Liebe musste aufgegeben werden, jetzt hofft Gregor auf Erleichterung seiner Tortur des Ungeliebtseins durch süße Rache.
Aber diese Frucht wird bitter. Gregor wird festgenommen und muss ins Gefängnis für zwei Jahre.
Kurz vorher versucht Jan, Gregor von seinem illegalen Kurs in letzter Minute abzubringen.
Aber .. die Wucht des Hasses, "verschmähter Liebe Pein" (Hamlet)... :
Gregor und Jan, Gefühl und Verstand, kämpfen miteinander und Gregor bringt seinen Verstand, Jan, fast völlig zum Verstummen, er tötet ihn beinahe.
Die Szene.
New York, vor der Stadt am Strand, Nachmittag.
Kühles Wetter, der Himmel ist bedeckt.
Außer Gregor ist niemand am Wasser. Gregor steht direkt an der Wasserkante.
Er trägt Freizeitkleidung, legeres Hemd und kniekurze Hosen, läuft barfuss durch den Sand.
Jan kommt ins Bild, wir treten hinter ihm näher.
Jan trägt dunklen Business-Anzug, weisses Hemd, keine Krawatte.
Gregor, er lächelt:
Jan! Schöne Überraschung!
Wir stehen jetzt hinter Gregor und können sehen, dass Jan ärgerlich, enttäuscht und besorgt ist.
Jan: Das ganze war Deine Idee. Die Übernahme.
Gregor bleibt locker, überlegen, sieht übers Wasser, die Hände leger in den Hosentaschen: Wieso sollte ich das tun?
Jan: Die Luckner-Werke kaufen und ihn feuern. Du kaufst die ganze Zeit Luckner-Anteile.
Gregor: Dafür gibt es keine Beweise.
Jan, jetzt schon sehr erregt.
Gregor, wenn sie Dir auf die Schliche kommen, dann machen sie Dich fertig! Das sind Insider-Geschäfte!
Laut, nachdrücklich: Du musst verkaufen, jetzt, sofort. Bevor Du dran verdienst.
Gregor, immer noch lässig überlegen:
Verstehe, Du hast mal wieder die Moral gepachtet. Denn Du bist nämlich wirklich groß in dem Job.
Jan findet das gar nicht witzig.
..Ja.. und Du?
Zornig, tadelnd:
Wie groß ist jemand, der sich sein ganzes Leben von seinen Vaterkomplexen bestimmen lässt?
Wir stehen direkt in Jans Nacken und sehen Gregor ins Gesicht. Gregor wirkt kalt, hart, die Augen zu Schlitzen verengt.
Du hast keine Ahnung wie das ist. .. Zu betteln, dass Dich Dein Vater wahrnimmt, dass er begreift, dass es Dich gibt.
Jetzt muss er es.
Jan: Jetzt ist er am Boden. Bravo.
Jan wirkt wütend, enttäuscht und bitter.
Er sagt:
Aber frei....? Weißt Du noch...?
….kaltes und hartes Resumé. Jan deutet ein Kopfschütteln an:
Du hast es nicht geschafft.
Gregor wiegelt ab:
S´ ist ein Geschäft, Jan…. und der dumme nichtsnutzige Gregor hat gewonnen.
Jan schüttelt den Kopf. Er merkt, dass Gregor nichts begreifen will und er, Jan, nichts ausrichten kann.
Jans Gesichtsausdruck spiegelt: er findet alles, was Gregor sagt, so unmöglich, dass er sich nur noch abwenden kann.
Jan dreht Gregor den Rücken, er kommt auf uns zu, geht vorbei, ist weitergegangen.
Gregor ruft ihm nach: Was willst Du überhaupt?
Er läuft Jan nach.
Gregor: Der Alte verdient gut daran, der hat ausgesorgt.
Jan geht weiter.
Gregor wird wütend, packt von hinten Jans Schulter.
Hey Jan, Du lässt mich nicht einfach so stehen!
Jan ist längst verletzt und beleidigt.
Er reisst sich los. Dreht sich um. Steht jetzt frontal zu Gregor. Der triggert ihn an, versetzt ihm einen Stoß gegen die Brust...
Was is los, hm? Na, komm, wehr´ Dich, wehr Dich Spasti!
Dieselbe Wortwahl wie vor fünfundzwanzig Jahren, als die beiden sich zum ersten Mal trafen. Wieder ein Streit, wieder am Wasser.
Auch damals hatte Gregor Jan angegriffen. Beide waren ins Wasser gestürzt. Jan hatte Gregor damals vor dem Ertrinken gerettet, so, wie er heute versucht, Gregor vor dem Ertrinken in Hass und Rache zu retten.
Jan nimmt die Aufforderung zum Kampf an.
Jan stößt Gregor ins Wasser, die beiden ringen miteinander.
Zuerst scheint Jan der Stärkere, dann bekommt Gregor Oberhand.
Jan und Gregor in der Brandung, sie kämpfen miteinander
Er versetzt Jan einen Faustschlag und drückt den Benommenen unter Wasser. Er hört nicht auf.
Wir sind knapp über der Wasseroberfläche und sehen Jans Hand.
Sie scheint keine Kraft mehr zu haben, um Gregor zu packen oder wegzustoßen.
Die Hand bewegt sich unsicher, zuckt, Gregor stößt Jan sofort weiter in schäumender Wut unter Wasser.
Jans Hand erschlafft, geht unter.
Gregor hat Jan völlig untergetaucht und hält ihn unter Wasser fest.
Wir sehen, dass er dabei ist, seinen besten Freund zu töten. Das extreme Gefühl, die rasende Wut tötet den Verstand, die Stimme des Verstandes.
Endlich begreift er, was er da tut, was seine Wut über die Verletzung seines Selbstwertgefühls da tut und er zerrt Jan wieder über Wasser.
Jan ist bewusstlos.
Gregor, erschrocken über die Wirkung seiner Tat, nimmt Jan in den Rettungsgriff und zerrt ihn aus dem Wasser.
Gregor hat Jan ans Ufer gezogen und versucht bestürzt und verängstigt, ihn wieder zu beleben
Jan fängt – Gott sei Dank – an, zu husten. Gregor ist entsetzt.
Atemlos, kindlich angstvoll: Es tut mir leid!
Er wartet bestürzt auf Jans Reaktion. Wir spüren, dass er Jans Freundschaft nicht verlieren will.
Jan versucht, wieder Luft zu bekommen, hustet.
Dann stößt er Gregor weg, dreht sich fort von ihm, steht auf, macht die ersten schwankenden Schritte, nur weg von Gregor. Er will nur weg. Wenn ein Stückchen Kraft nachfließt, investiert Jan sie sofort für Schritt nach Schritt von Gregor weg.
Gregor, ängstlich, atemlos:
.....Auf immer und ewig, ... das gilt doch noch...?
Wir stehen hinter Gregor und sehen Jan von hinten.
Jan antwortet nicht, dreht sich nicht um, ist schon weit weg, wird kleiner und kleiner...
Schnitt.
(Rache-)Gefühl, Gregor, und (liebevoller, Gerechtigkeit erkennender) Verstand, Jan, gehen zu unterschiedliche Wege, sind in diesem Moment nicht mehr vereinbar.
Jan, der Lösungen gefunden hat, mit der Belastung des Selbstwertgefühls durch eines ungreifbaren Vaters zurecht zu kommen, kritisiert Gregors Verharren in der Verstrickung mit dem unnahbaren Vater. Er weiss um den lähmenden Effekt dieser Stagnation.
Jan hat das glücklichere Los gezogen. Er kann lieben. Seine amicizia ist beider Chance.
2005-2006 Heino Ferch – Jan Ottmann, Fritz Karl – Gregor Luckner, Henry Hübchen – Johannes Luckner „der alte Luckner“, Claudia Michelsen – Elsa Veltlin
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amicizia ist ein italienisches Wort und bedeutet Freundschaft. Die italienische Sprache erlaubt eine Differenzierung zwischen Herzensfreundschaft amicizia, amico-Freund und erotischer Freundschaft amore-Liebe, ragazzo/ragazza-Freund/Freundin.
Endlich Fertig? Nee, immer noch nicht. (Wir beschäftigen uns mit dem Film ja erst seit dem 18. September 2006 - unglaublich, wie die Zeit vergeht - ein halbes Jahr - schon vorbei...!) Hans Kuhlke und die Mauer werden noch eine weitere Woche warten müssen. Der Vater Teil 5-Schluss also am 19.2. - Es muss ja eine Lösung geben. Lösungen gibt es immer, manchmal recht ungewöhnliche.
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Das Thema Männerfreundschaft, best friends, buddies, wiederholt sich in Ferchs Arbeit unserer (unvollständigen) Kenntnis nach zum dritten Mal:
1996-97 Spiel um Dein Leben (mit Ben Becker. Regie: Uwe Janson. Buch: Christian Jeltsch.)
1997-98 Todfeinde (mit Tobias Moretti. Regie: Oliver Hirschbiegel. Buch : Don Bohlinger)
2005-2006 Auf ewig und einen Tag. (mit Fritz Karl. Regie: Markus Imboden. Buch: Christian Jeltsch.)
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