Montag, November 20, 2006

„...war alles Angst...“ in: Auf ewig und einen Tag. Paula Teil 6. 2005-2006

"...war alles Angst...." in: Auf ewig und einen Tag. Paula Teil 6. Heino Ferch als Jan Ottmann. Regie: Markus Imboden. Buch: Christian Jeltsch. d.i.e.-Film GmbH für arte ZDF ORF. 2005-2006

Bildquelle und Bildrechte bei d.i.e.-Film GmbH arteZDF

Audio.mp3 - Hören statt Lesen Kino für die Óhren

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New York 1998,

ein Jahr nach dem letzten Treffen zwischen Jan und Paula.

Jan Ottmann hatte inzwischen massive Probleme mit Gregor.
Gregor Luckner, Jans alter ego, die hochemotionale, leidenschaftliche Seite seines alter ego, hat in einem verzweifelten Racheakt gegen die dauerhafte Ablehnung und Herabsetzung seitens des Vaters die Mittel überspannt, den legalen Weg verlassen.

Jetzt steht Gregor vor Gericht.

Jan war vor fünf Minuten noch im Justizpalast. Er sollte gegen Gregor aussagen. Jan war gerade dabei, einen Meineid zu beginnen, da bat Gregor den Richter, Jan gehen zu lassen.

Die Szene.

Jetzt läuft Jan die Straße entlang. Es ist Sommer, August. Er ist noch für die Vorladung gekleidet. Schwarzer Anzug, champagnerfarbe Krawatte, weißes Hemd. Er blickt hoch zu den Skyscrapern mit ihren tausend Büros.

Schnitt.

Jan in der Menschenmenge auf dem Trottoir. Die Kamera fokussiert ihn. Er kommt uns entgegen, geht an uns vorbei.

Da bemerken wir hinter ihm einen schwarzen Haarschopf neben einer Schneiderpuppe, zwei milchweisse Schultern.

Jan und Paula drehen sich gleichzeitig nacheinander um. Paula wirkt gestresst, offener Mund. Als sie ihn definitiv erkannt hat, stellt sie ihre Schneiderpuppe mit einem Ruck ab.

Schnitt auf Jan.

Er sieht nach ihr. Wie er eben so ist. Kein Überrollen, Überrennen, lautstarkes Überstürzen. Wartet. Freut sich. Einmal blinzelt er, ein kleiner Lidschlag, als wolle er seine Augen blank machen, um sie besser zu sehen.

Jetzt lacht Paula schüchtern, ihre Hand umarmt ganz unbewusst ihre Schneiderpuppe.

Jan blüht auf. Lächelt, strahlt, weil die Freude zu groß ist für ein ernsteres Gesicht.

Er beginnt, auf sie zuzugehen, drängt das Lächeln ein wenig zurück. Es bleibt eine starke innere Bewegung. Da freut sich jemand so sehr, dass wir vielleicht Tränen sehen würden, wären wir näher bei ihm.

Jan! wir hören es kaum im Verkehrslärm. Paula sagt es fast nur für sich.

Wir eilen dicht hinter Jan auf Paula zu. Wir blicken neugierig über seine Schulter, Paula ins Gesicht. Sie freut sich.

Wir hören Jans leises dunkles: Hey! Das Hey! hat kleine goldene Flügel. Mit ihnen flattert es zu Paula und lädt sie auf. Sie freut sich augenblicklich noch mehr.

Jan tastet, vorsichtiger Gesprächsanfang. - sieht die Puppe an.

S´Schön!

Er vertuscht die Bedeutung S´schön Dich wieder gefunden zu haben. In:

..die Kleider!

Von Dir?

Paula, glücklich und sehr stolz. Jetzt strahlt sie.

Ja!

..und Du?...... Verheiratet – Kinder...Hunde...Hamster...?

Sie schmiegt ihren Kopf an ihre Puppe.

Jan:

Solo.

...bin mir treu geblieben. Er knüpft an Paulas letzten Satz bei ihrem letzten Treffen an. Bleib´Dir treu hatte sie gesagt. Der Zeitraum zwischen damals und heute sind Null Sekunden.

..und Du?

..ich komm´klar..

.....glücklich geschieden.

Jan lacht. Very good news. Er lacht übers ganze Gesicht. Neues Spiel, neues Glück. Plötzlich wird er ernst. Sieht Paula an.

Aber sie:

...ich muss...ah..

......der Laden macht zu.....

..nich´meiner –leider....

.......da, wo ich meine Sachen verkaufe........

Jan nickt.

..ab und zu.

Wir sehen, dass er schnell und leider ratlos einen Anker sucht, Paula irgendwie zu halten.

..also dann....

Paula nimmt ihre Schneiderpuppe. Wendet sich ab.

Dreht sich ihm noch einmal zu:

..is´man da - ... richtich glücklich?

.....da oben, wo Du bist?

Jan schnaubt ein „wie mans nimmt, weiss nicht“, wischt die Frage innerlich weg, dockt wieder mit einem Blick an Paula an, der alles fragt und alles erwartet.
Als er Luft holt, um etwas zu sagen, dreht Paula schon ab.


Noch ein kokettes Lächeln, dann verschwindet sie in der Menschenmenge.

Jan sieht ihr nach.

Eine Sekunde, zwei Sekunden.

Plötzlich löscht er innerlich die Begegnung. c:/> del (Foto)

Paula allein. Eilt die Straße entlang.

Beginnt, laut mit sich selbst zu sprechen.

Du Ar sch loch,

Du bist doch ein richtiges A r schl o ch Paula Schmitt, kannst Du nich´ einmal richtich ehrlich sein....

Gibt die Schneiderpuppe in einem Laden ab. Susan, kann ich das hier mal abstellen..

Jan geht zu Fuß weiter auf dem Trottoir.

Paula rennt herbei, quert die Straße, wie damals.

Hält ihn an der Schulter auf, wirft sich ihm in den Weg. Wieder drückt sie ihre Hand gegen seine Brust, wie damals, am Flughafen.

Atmet heftig vom Rennen..

Gleich...

Immer noch atemlos...

Sein Blick. ( Diese Augen. Diese herrlichen schwarzen Augen! Wie sie leuchten und glühen, was für ein Feuerwerk in diesem Kopf, was für ein Freudenfeuerwerk.)

Paula:

Also das is...

Gar nichts is´ wahr.

War alles Angst.

....vor....vor der großen Liebe.

Die dann eben doch nich´so spektakulär daherkommt, wie ich mir das immer...

....erhofft habe, also wie das in Filmen eben immer so is.

Jans Blick. Freude und Einladung, nach Hause zu kommen,
gibt uns das Gefühl, vor Wohligkeit laut schnurren zu müssen, wie glückliche Angorakatzen. Jans Blick, ein Blick von der Köstlichkeit süßer Walderdbeeren.
Goodness, da steht das Große Los der Liebeslotterie, sieht aus wie Jan Ottmann und Paula hat´s gezogen.

Paula:

Bei..

Bei mein´ Affären.

Jans Blick: ein Fragezeichen gusto panna cotta bacio mit heißen Cranberries...

Paula:

..einigen, also...

..n-paar jedenfalls waren dabei, also...

Jan sucht ihr zu folgen. Er wirkt dabei ein bisschen wie mit bunten glitzernden Sternen angefüllt.

Ab zu entweicht ein Stern seiner Pupille,
löst sich aus seinem Mundwinkel,
entgaukelt seiner Ohrmuschel,
flirrt von seiner Wange
und schwebt zu Paula hin.

..in Liebesdingen, also den von, von..

Jan ergänzt:

Der großen Liebe..

Paula, nah:

Da hab´ich ´ne ziemlich lange Leitung, aber....

.wennichsmalkapierthab dannmussichhandeln

weilessonstpassier´nkann ........dassichwiedervergessewas..... ichwollte und

.........wen ich eigentlich im Moment nun liebe und weil das doch..

ewig gilt, wenn man einen Heiratsantrag macht. Oder?

Ich mein, das gilt doch ewich. Oder.

Jan.

Die bunten Glitzersterne sind von sanfter Hand aufgeräumt.

Sein Herz ist jetzt fast dunkel. Das kommt ganz sicher von der Tiefe.

Jan, ernst:

Auf immer und ewig.

Paula zuckt die Schultern, entschlossen, schnell:

Also gut, dann bin ich für Hochzeit. Sofort.

Jan schnappt, holt Luft. Diesmal sagt er nichts. Das heißt, natürlich sagt er was. Sein Blick sagt laut und deutlich: ist das Dein Ernst?

Paula entschlossen:

Ich bin es wert. Ich bin es wirklich wert.

Autolärm.

Jan streichelt sie. Er sagt:

Ich weiß, Paula.

Ich weiß.

(Was soll das heißen? Falsch? Der streichelt sie gar nicht?

Ja hören Sie denn nicht?

Ganz deutlich. Ganz deutlich streichelt seine Stimme ihr Haar, -jetzt ihren Nacken, jetzt die Wange...Sanft wie eine Eulenfeder (die bekanntlich lautlos fliegt).

Very close up Jan.

Hat die Tiefe seiner schwarzen Augen eigentlich irgendeinen Untergrund, einen Boden vielleicht aus Stein, ´nen Knochenbrecher, auf der Paula unsanft aufschlagen könnte?

(Sehen Sie was? Auch nich´? Wir auch nich´.

Du kannst ihn nehmen, Paula! Nimm´ihn!

Maseltow!)

Weg. Mit einem Schlag.

Paulas Unruhe ist weg.

Die Maske der Nervosität gefallen.

Darunter erscheint eine neue Paula:

Wasserklar, gerade und stark.

--

Schon die nächste Szene zeigt die Hochzeitsfeier von Jan und Paula
- im Alten Bootshaus, einem kleinen
persönlich-paradiesischen Ort im See,
das -wie bei Bootshäusern eben so üblich - nur über eine Brücke betretbar ist.

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Audio.mp3 -Hören statt Lesen Kino für die Óhren

2005-2006 - Heino Ferch: Jan Ottmann; Martina Gedeck: Paula Schmitt.

Maske/Frisuren: Katharina Erfmann und Gerd Reitinger . Wir erwähnen die Maske, da wir finden, hier wurde – insbesondere an den retrospektiven Frisuren, insbesondere den blonden - wirklich und wahrhaftig Fantastisches geleistet.

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Kommentar 1: zum Stil dieses Beitrages:

Ursprünglich hatten wir den Stil des Beitrages mittels Einflechtung einer zweiten emotional kommentierenden Realitätsebene direkt in den Ort des Geschehens schwärmerisch-humorvoll angelegt.

Mit der Zeit kamen Bedenken, denn die Figuren sind nicht karikiert. Also wurde an der sprachlich-schwärmerischen Fguren-Zeichnung herumradiert. Das Ergebnis - wir wissen es wohl - ist weder Hüh noch Hott. Sorry.

Darüber hinaus krankt dies "mit Worten gemalte" Bild am Mangel der Reproduktionstechnik, die nur nacheinander erzählen kann.Wir geben einen Aspekt Jans körpersprachlicher Botschaft wieder, Jan erzählt viel mehr. Er erzählt auf der prosaischen Dialogebene und auf der tieferen Ebene seiner Gefühle. Diese zweite Ebene ist die hinreissende, deren Darstellung eben nur durch Darstellung komplett ist.

Worte vergewaltigen diese Zartheit. Aber was will man machen..Ja. Genau. Sie sagen es.

Film sehn.

Ganz einfach.


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Kommentar 2:

(s.a. ->Deutschlandlied Szene "Lisa!" und ->"Der Tunnel" -Harry sieht Lotte nach geglückter Flucht wieder.)

Kommentar 3

"...bin mir treu geblieben." sagt Jan, als er nach langer Zeit Paula
wiedertrifft. Erzähltechnisch ist das zwar einerseits ein kleiner Gag,
andererseits ist dieser Satz per se nicht unwichtig.

Jan kommt gerade eben aus dem Justizpalast, wo er an der Grenze, an der
absoluten Grenze seines ethischen Codex stand und dabei
war, im Zielkonflikt gegen den Freund - für die Wahrheit, oder für den
Freund - gegen die Wahrheit
die Treue zu sich selbst zu Gunsten der
Treue zu seinem Freund durch einen Meineid aufzugeben.

Dass er ...bin mir treu geblieben...jetzt zu Paula sagen kann, unbescholten vor den Menschen treten kann, mit dem er sein Leben verbringen möchte, ist hier und heute
Glück und in the long run Ergebnis einer charakterlichen Selbstformung, die sicherlich oft Stehvermögen verlangte, Selbstbescheidung, Demut, Resistenz und Bodenhaftung.