Montag, November 20, 2006

"..schaff Dir Deinen eigenen Stil!" in: Trapez. USA 1956

von: ignazwrobel

 Teaserbild Film Trapez


Filmszenen I "..schaff Dir Deinen eigenen Stil!"
in: Trapez. Burt Lancaster als Mike Ribble.
Regie: Carol Reed. Buch: Max Catto, Liam O´Brian. USA 1956

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Paris, Fünfziger Jahre,

Sommer, der Metro-Aufgang in der 110 rue Amelot gegenüber dem Cirque d´Hiver Bouglione. In diesem Zirkus erfand damals vor hundert Jahren der Franzose Léotard das „Flying trapeze“.

Ein junger Mann spurtet die Metro-Treppen hoch. Auf der anderen Straßenseite lockt mit großer Plakatreklame das Gebäude zum Besuch, das auch er sucht:
Aussenaufnahme Cirque d´Hiver Paris


der Cirque d´Hiver Bouglione.

Er eilt darauf zu und schlängelt sich durch eine Gruppe gassigehender Elefanten, die den Eingang mit ihren wuchtigen Leibern blockieren, ins Gebäudeinnere.

Schnitt.

Am Raubtierkäfig. Der junge Mann hat ein festes Ziel. Er sucht eine ganz bestimmte Person. Er fragt ein paar Leute:

Kennt jemand von Euch Mike Ribble?

Antwort: Nein. Auch am Pferdestall ist niemand, der Auskunft geben kann.

Wir hören laute Allez! Allez! Hoppla-Rufe.

Unser Mann folgt den Rufen. Durch ein großes Tor betritt er die Manege des fest gebauten Winter-Chapiteaus. Eine Trampolin-Nummer ist aufgebaut, die Artisten üben.

Der junge Mann, es ist Tino Orsini, der Sohn des in Amerika berühmten Luftakrobaten Guido Orsini, sucht weiter. Er spricht einen Schlangenbeschwörer an:

Kennen Sie den berühmten Artisten Mike Ribble?

Nein. Der Mann kennt ihn auch nicht.

Der Zirkuszwerg Max, offensichtlich jemand, der alles hier kennt und alles weiß, beginnt, zuzuhören.

Tino hat Sprachschwierigkeiten Er fragt auf Englisch:

Kennt ihr Mike Ribble? Amerikaner? Flieger? Große Trapeznummer!!

Er soll hier im Zirkus arbeiten.

Max: Wie heißen Sie?

Tino: Orsini.

War Guido Orsini ihr Vater?

Ja.

Erkennen. Herzliche Begrüßung mit Handschlag. Tino nimmt sie gerne an. Max deutet in die Zirkuskuppel:

Sehen Sie, das ist Mike Ribble. Da oben.

Strickleiter in die Kuppel des Chapiteau

Er spannt gerade die Seile für die Flugzeugnummer.

Tino geht zur Strickleiter, die in die Kuppel führt, versucht, Mike zu rufen.

Tino blickt nach oben

Mister Ribble!

Hallo!

Mister Ribble!

Keine Reaktion. Zu weit oben.

Ruhe! wird Tino gemaßregelt. Der Zirkusdirektor Bouglione kommt näher.

Hier schreie nur ich.

Tino entschuldigt sich. Ich wollte gerne Mister Ribble sprechen.

Bouglione fährt ihn unwirsch an. Machen Sie das gefälligst, wenn er frei hat.

Lola - von der Trampolinnummer- lenkt Bouglione sehr wortreich mit ihrem eigenen Anliegen ab.

Diesen Moment nutzt Tino, um sich, gedeckt durch Max, noch einmal an die Strickleiter heranzutasten. Ein sichernder Blick nach Bouglione – und schon erklimmt er (allerdings wesentlich eleganter als unser Redaktionsmitglied) die Strickleiter nach oben.

 Tino auf der Strickleiter

Er betritt das Landepodest des Trapezaktes in circa sechzehn Meter Höhe und ruft noch einmal nach Mike Ribble.

Mr Ribble, hey Mr. Ribble.

Mike, auf einem Dekostern noch circa fünf Meter höher, schreit zu Tino hinunter:

Hau ganz schnell ab, sonst fällst Du mir noch runter!

Aber ich bin doch Flieger!

Beide oben

Das ist mir egal, was Du bist, scher´Dich runter!

Tino

Ich komme extra aus Amerika, um Sie zu sehen.

Mein Vater ist Guido Orsini. Er sagt, der Einzige, von dem ich noch was lernen kann, wär´sein Freund Mike.

Mike

Dann sag´ihm, dass ich ein Handlanger bin, aber kein Trainer. Sag´ ihm, mich gibt´s überhaupt nicht mehr.

(Mike Ribble, -das erfahren die Zuschauer später-, arbeitet nach einem schweren Sturz aufgrund einer irreparablen Beinverletzung nicht mehr als Luftakrobat. Das ist schlecht. Jetzt trinkt er, um zu vergessen, was er einmal war.)

Tino: Aber hören Sie, Mister Ribble...

Mike wehrt ab: Komm lass mich in Ruh´ mein Junge...

Tino, sehr eindringlich, auch voller Angst, abgewiesen zu werden:

Das, was ich lernen will, das können nur Sie mir zeigen.

Close up Mike Ribble.

Er sitzt auf dem Dekostern und schraubt weiter. Aber irgend etwas ihn im hat „click“ gemacht, einen Schalter betätigt, einen Hebel auf „go“ gestellt. Er hält innerlich inne, ein ernst prüfender Blick geht zu Tino.

Tino. Immer noch sehr eindringlich, sehr intensiv:

Ausser Ihnen kann mir niemand den dreifachen Salto beibringen.

Der „Dreifache Salto“ war das Schlüsselwort. Als Mike Ribble es hört, wird er zornig.

Den Dreifachen? Er lässt die Hände sinken. Bist Du wahnsinnig?

Solls Dir so gehen wie mir. ...?

Tino, in seiner jugendlichen Naivität:

Aber den doppelten kann ich doch schon, ich muss nur noch den Dreifachen lernen....

Mike

Aha, Du musst nur noch den Dreifachen lernen. Sonst hast Du keine Sorgen, ja?

Tino rudert zurück: Ich weiß, es ist nicht so einfach....

Mike unterbricht ihn:

Du kommst aus dem dritten Salto mit D-Zug-Geschwindigkeit angeflogen und bist wie geblendet.
Im Bruchteil von einer Sekunde musst Du zugreifen.
Und nur in diesem Moment kann Dich der Fänger fangen.

....So einfach ist der Dreifache Salto!

Tino

Aber sehen Sie mich doch wenigstens mal an...

Mike dreht sich weg, schraubt weiter Sicherungsschellen an die Verdrahtung des Sterns:

Mich wollten schon viele zurückholen.. ..Aber Du übertriffst alle mit Deinem Dreifachen !

Tino.

Sie soll´n mich ja nur ansehen, was ich kann und wenn Sie sagen, es reicht nicht, dann kann ich ja wieder zurückfahren. Er deutet nach draussen.

Unbemerkt von Mike, der oben herumschraubt, hat Tino die Sicherung der bereits montierten Trapezstange ausgeklinkt. Das Trapez schwingt an seinen langen Seilen aus.

Mike: Dann fang´schon an, zu packen!

Mike Ribble, ehemals der sechste Mensch weltweit der den Dreifachen Salto am Schwingenden Trapez beherrschte, klinkt ein Vertikalseil aus, das am Stern gesichert war, packt es und schwingt, nur von der Kraft seiner Arme und Hände gehalten, am Seil durch die halbe Kuppel zu einem anderen Vertikalseil, wechselt im Flug von einem zum anderen und schwingt jetzt zu einem Dekoelement auf gleicher Höhe, einem Wagen, landet sanft wie eine Daunenfeder auf einem Bein.

Währenddessen hat Tino sein Trapez gepackt und ist vom Podest losgesprungen. Er schwingt, an Mike direkt vorbei, durch die Kuppel, macht eine hohe Welle, um Schwung zu holen und wechselt beim zweiten Schwung in die Kopfunterposition, mit den Fußgelenken am Trapez eingehängt.

Mike will zuerst nicht zusehen und schraubt demonstrativ weiter. Lange kann er seine Aufmerksamkeit nicht von Tino fernhalten. Seine Neugier und ein dunkles Ahnen, dass er etwas Wichtiges zu sehen bekommt, drehen seinen Kopf zu Tino.

Wie gefällt Ihnen das?

Tino schwingt am Trapez Mike sieht zu

Tino wiederholt jetzt eine große Welle, um neu Schwung zu holen.

Mike kann sich das nicht mehr mit ansehen. Er hat angebissen.

Willst Du vielleicht Deine Fingerabdrücke am Trapez hinterlassen? Lass locker! Die Hände dichter aneinander, Du greifst zu weit!!

Nahaufnahme Mike. Er hat sich ganz aufgerichtet und beobachtet Tino sehr genau. Seine Korrekturen sind bereits Trainerzurufe. Er merkt es nicht, noch nicht.

Tino geht beim nächsten Schwung in den Stütz, um seine Griffweite zu korrigieren.

Mike

Noch näher zusammen. Tino öffnet am Schwungende den Stütz mit einen Felgabschwung vorwärts in Hängeposition. Und schwingt zurück.

Mike. Wenn Du die Welle so machen willst, drück´ Dich mehr nach oben raus.

Tino schwingt an ihm vorbei, holt neu aus. Am Schwungende nimmt er die Hände dicht zueinander, -Vorbereitung für eine halbe Schraube- und dreht sich am anderen Ende des Schwungs durch Umgreifen um seine Längsachse.

Ich habe Ihren Stil genau kopiert.

Mike:

Dann wirst Du immer zweitklassig bleiben.

Schaff´Dir Deinen eigenen Stil!

Mit diesen goldenen Worten sind wir an dem für uns wichtigsten Punkt der Szene angekommen, deshalb verlassen wir Mike und Tino schon jetzt, mittendrin...

Och.

Gerade, wenn´s spannend wird.

Tja, wir verraten schon soviel: Mike lässt sich von Tinos Können, seinem unbedingten Glauben an ihn und seiner Begeisterung einfangen.

Tino vertraut sich ihm völlig an. Gleich jetzt. Mike geht im Eifer seiner Erklärungen selbst auf das andere Trapez, um etwas zu demonstrieren.. .. und hat plötzlich Tino an den Händen, der ihm einfach ohne große Vorwarnung zugesprungen ist.

Mike hat Tino gefangen, beide schwingen am Trapez

Fangen Sie mich!

Und schon war Tino unterwegs. Im freien Flug. Und ohne Netz.

Ribble und Orsini – das siebte Luftakrobatik-Duo weltweit, das den Dreifachen zeigen wird.

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1956 – Burt Lancaster – Mike Ribble, Tino Orsini – Toni Curtis.

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Kommentar:

Der Film ist - auch wenn der Anfang so aussehen mag, keine Special Interest Nischenprodukt für Zirkusliebhaber.
Er spielt zwar im Zirkusumfeld, aber die großen Themen, die uns alle interessieren, bilden den Plot.
Sein und Schein, Vertrauen und Verrat, Schuld und Sühne, Glück und Schicksal, unglückliche Liebe und... kein Happy End. Jeder trägt am Schluß an seiner Schuld, an den Auswirkungen der unglückseligen Verstrickung. Die Fallhöhe des Helden im Antiken Drama
könnte nicht größer sein.

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Ein bisschen allgemeine Theorie im Kommentar zu "Marlene " ->->

Noch mehr Theorie zum Thema Frau und Mann
("ein fragiles Gespann" - Zitat aus: Der Anwalt und sein Gast)
"Deutschlandlied"->->
siehe unten im Kommentarbereich des Beitrages