Filmszenen I …ich will dass Du gehst. Für immer. Teil 1B in: Entführt! Heino Ferch - Hauptkommissar Thomas Danner. Regie: Matti Geschonneck 2008-2009.
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…ich will dass Du gehst. Für immer. Teil 1B in: Entführt! Heino Ferch - Hauptkommissar Thomas Danner. Regie: Matti Geschonneck 2008-2009.
Halbdunkel. Bläulich. Die geräumige Wohnung von Thomas Danner.
Männerwohnung. Männerfarben, Metall, Graublau, Schwarz, weisser Schleiflack. Zurückhaltend, monochrome Bilder - monochrome Flächen, neue Sachlichkeit, Bauhausvariante von Ikea. Chaosfrei, die Dinge haben ihren Platz.
Wir nähern uns einem Türausschnitt. Im anderen Raum ist es heller. Zitronengelbe Wand, kleine Stereoanlage, ein Doppelbett, hellgraue Bettwäsche, das Bett ist zerwühlt. Am Boden eine aufgeschlagene Illustrierte. Auf dem Bett liegt etwas Schwarzes.
Die Kamera fährt näher, das Kopfende des Bettes kommt ins Bild. Das Schwarze hat auch einen Kopf, den Kopf von Kristin. Sie schläft.
Neben ihr, auf einem Beistelltischchen aus transluzentem Kunststoff und fadendünnen Metallfüßen ein Rotweinglas (fast leer ) und eine Rotweinflasche (wahrscheinlich auch fast leer).
Antifoni, die Arbeitslampe, brennt noch.
Schnitt.
Danner kommt näher. Bleibt stehen. Sieht die Schläferin in seinem Bett. Er geht ins Zimmer hinein, nimmt die Fernbedienung neben Kristin und schaltet den Fernseher aus.
Kristin erwacht vom Ausbleiben der Fernsehgeräusche.
Sie richtet sich auf. Versucht, lieb zu lächeln:
Hallo!
Danner, mitten in dieses liebe Lächeln hinein, ohne Resonanz auf ihr Gefühl, entschlossen und hart:
Ich will, dass Du gehst.
Kristin lächelt weiter. Sie scheint ihn misszuverstehen:
Wie spät ist es denn?
Danner, weiter betont kalt:
Für immer.
Kristin reagiert gar nicht auf diese Härte. Als wäre sie kurzzeitig ertaubt. Weiter, immer noch freundlich, etwas ernster:
Ich war heute beim Arzt, die…. Ham die Ergebnisse aussm Labor.
Danner
Hör auf damit.
Kristin, jetzt endlich irritiert:
Was?
Ihr Blick ist nicht ganz sicher, wir ahnen schlechtes Gewissen.
Danner´s Denken, wie seine Trennung von jemand anderem vor sich gehen kann, entspricht exakt der Gedankenstruktur von Hauptkommissaren: den Anderen als Verbrecher überführen. Das berechtigt ihn zu entsprechenden Straf-/Disziplinar-/Verurteilungsmaßnahmen.
Danner überführt seine Privatdelinquentin:
Du warst nicht beim Arzt.
Du bist nicht krank.
Kristin hat sich aufgesetzt, die Füße am Boden. Immer noch konziliant, bestätigt sie ihn mit leiser kleiner Kinderstimme:
Nein, nein, ich,…
Stell Dir vor, das war nur so´n harmloses Talgdings, ah, ,wie heißt das ich – ehm – na ja issja auch egal..
Danner fällt ihr ins Wort. Richterlich:
Hör auf damit!
Pause. Diese böse, böse Pause, die dem anderen sagt, rien ne va plus, rien. Unnahbarkeit, Härte, die vergessen hat, dass das Gegenüber ein viel schwächerer, weil viel jüngerer Mensch ist, Härte, die sich sich keine Mühe mehr gibt, die kleinste Rücksicht zu nehmen.
Härte, die vergessen hat, wie sehr man mal bezaubert war, wie man verliebt gelächelt hat, wie man geweint hat vor Rührung, damals, mit der Kleinen, wie weich man mal war, wie eingehüllt von ihrer glatten goldnen Haut, wie übermütig man gebalgt, wie kindlich man gespielt hatte, wie man dachte, das Glück hört nicht auf, all so was und alles mit der Kleinen.
Kehraus.
Der andere Mensch soll weg. Schnell und komplett.
Kristins Lächeln friert ein. Ihr Gesicht lächelt, hält Fassade aufrecht, dahinter und darunter wird ein Ich ganz klein. So klein, wie es der Andere haben will.
Danner
- schaut weg.
Kristin
- steht auf. Sie sieht, dass sie jetzt erwachsen sein muss. Kommt näher.
Danner, wütend
Was sollte das Ganze?
Kristin wird traurig, schwach, wir sehen bettelnde Augen, leise und beschämend ehrlich:
Ich liebe Dich.
Danner
- sieht sie nicht an.
Dann dreht er sich zu ihr hin. Ihr Gesicht bleibt glatt. Trotzdem hören wir eine Ohrfeige. Danners Kopf fliegt zur Seite. Sie hat ziemlich hart zugeschlagen.
Sie geht dicht um ihn herum, weg, nach hinten.
Danner dreht sich langsam zu uns zurück.
Hält inne.
Sieht in die andere Richtung. Nach unten.
Er verlässt auf uns zu das Bild.
Fokusverschiebung von nah zu fern.
Hinten im Raum die schwarze Silhouette von Kristin. Sie nimmt ihre zweikommafünf Sachen zusammen.
Schnitt auf Danner. Er ist nicht gut drauf. Wartet.
Setzt sich.
Noch ein Blick zu Kristin.
Wir und Danner sehen, wie sie mit schnellen Schritten zur Tür geht.
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Danner bleibt sitzen. Er senkt ein wenig den Kopf.
Wir hören die Tür ins Schloß fallen.
Endlich.
Ist die Farce zu Ende.
Heino Ferch (im Alter von 45) – Hauptkommissar Thomas Danner, Rike Schmid – Kristin Riedel, Tochter von Danners Chef und Danner´s Ex-Freundin.
Kommentar 1:
Gibt Kristin Danner wirklich eine Ohrfeige? Ja? Die Konstellation ist doch so, dass die junge Frau mit Danner, der ihr Vater sein könnte, ihren Elektrakomplex bearbeitet. Wir haben Kristins Vater gesehen, der ist wohl sehr o.k. Ihr Vater ist ein toller Typ. Danner ist ein toller Typ. Kristin liebt ihren Vater. Kristin liebt Danner. Würde eine so hingebungsvoll liebende Tochter, die die Anerkennung des Vaters sucht, so einem tollen Vater eine Ohrfeige geben? Nein? Ich liebe Dich Vater, ich liebe Dich Danner? Vater/Danner: Ich dich nicht mehr. Kristin: Ja, dann hau ich Dir eine rein Vater, dann hau ich Dir eine rein Danner…!? Sie wäre wohl eher nur sehr traurig. Die Vatertochter. Vielleicht hat die Szene ja ein Mann geschrieben.
Kommentar 2:
Wie spät ist es denn? fragt auch die junge Gattin von Max Klausmann ("Todfeinde"), als der von der Nachtschicht kommt. Wie spät ist es denn? fragt auch Michael Mühlhausen, als ihn seine Gattin zärtlich weckt. Beide Szenen zeigen den einen Gatten, wie er liebevoll ans Bett des Gatten/der Gattin kommt. Wie spät ist es denn? fragt hier Kristin. Hier ist die Szene unzärtlich, quasi die "Todfeinde"-Szene im Krebsgang, rückwärts. (Musiklehre Krebs: Wiederholung der Töne eines Themas, Motivs oder Melodieabschnitts in umgekehrter Reihenfolge.)
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